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22. Süddeutscher Kirchenarchivtag in Herrnhut
In Herrnhut fand vom 12. bis 14. Mai 2013 die diesjährige Tagung der Kirchenarchive der sogenannten „Südschiene“, also von Vertretern der im südlichen Teil der Republik ansässigen Kirchenarchive, statt. Der Nachmittag des 12. Mai war dem Kennenlernen der Gastgebergemeinde gewidmet: Ein Rundgang führte zum Gottesacker, dem Vogtshaus und zum Kirchsaal des von Graf von Zinzendorf gegründeten Ortes.
Die Tagung begann am nächsten Morgen mit dem Thema „Bewertung“. Dr. Andreas Metzing, Leiter der Evangelischen Archivstelle in Boppard, ging auf die aktuellen Modelle und Diskussionen der Bewertungstheorien ein und hob dabei besonders die horizontale und vertikale Bewertung hervor. Er stellte Beispiele aus der Praxis seines Archivs vor, v. a. aus dem Bereich der Rechnungsunterlagen und Personalakten. In der anschließenden Fragen- und Austauschrunde wurden verschiedene Modelle diskutiert und auch auf die neuen Tendenzen des Verbandes deutscher Archivare hingewiesen. Diese entwickelt sich weg von der Bewertung nach Aktenplanzeichen hin zur übergreifenden Aufgabenbewertung.
In der zweiten Sektion wurde das Thema „Nachlässe“ beleuchtet. Dazu referierte Perk Loesch von der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) über Herangehensweisen an die Nachlassakquirierung und inhaltliche Erschließung von Nachlässen in Bibliotheken. Sammlungsbestände in Bibliotheken werden auch durch Nachlässe ergänzt, wofür, im Gegensatz zu den meisten Archiven, auch Budgetmittel zur Verfügung stehen. Die Verzeichnung und das Bereitstellen mit Hilfe von Bibliothekskatalogen ähneln der archivischen Arbeit.
Am Nachmittag gab Dr. Udo Wennemuth, Leiter des Landeskirchlichen Archivs in Karlsruhe, in der dritten Sektion einen Überblick über neue Wege der Präsentation der Erschließungsinformationen im Internet. Neben der Erwähnung von rein archivischen Austauschseiten (www.forum-Bewertung.de), kam dabei v. a. Portalen eine Hauptrolle zu. Auf Seiten wie dem Kirchenbuchportal, der Deutschen Digitalen Bibliothek oder dem Europäischen Archivportal können Archive sich und die eigenen Bestände vorstellen.
Europäisches Archivportal (Stand 22. Mai 2013)
Auch der inhaltlichen Vernetzung kommt eine wachsende Bedeutung zu. Beispielweise fließen in der Onlineausstellung „Evangelischer Widerstand“ aufbereitete Dokumente vieler Kirchenarchive zusammen, und in der Aufstellung der Universität Mainz zu deutschsprachigen Gesangbüchern können die Bücher archiv- und bibliotheksübergreifend recherchiert werden.
Abb.: Startseite der Onlineausstellung „Widerstand evangelischer Christen und Christinnen im Nationalsozialismus“ (Stand 22. Mai 2013)
Der anschließende Besuch des Unitätsarchivs in Herrnhut war für alle Tagungsteilnehmer ein Ereignis. Neben dem Nutzersaal beeindruckte der Magazinneubau des Archivs, der außen rostrot schimmernde Bau beherbergt innen moderne Magazintechnik. Aber auch die Bestände im ältesten evangelischen Archiv Deutschlands, etwa die erste Herrnhuter Losung von 1730, wurden bestaunt.
Für den folgenden Tag war ein letztes Sektionsthema angesetzt. Judith Käpplinger, Archivarin im Landeskirchlichen Archiv in Karlsruhe, stellte die praktische Einführung des Dokumenten-Management-Systems (DMS) im badischen Landeskirchenamt vor. Besonderen Wert legte sie dabei auf die ausführliche Planungsphase, in der alle Arbeitsabläufe im Kirchenamt analysiert wurden, auf die Einbindung aller Mitarbeiter und ein breites Schulungsangebot vor der endgültigen Einführung.
Abb.: Eröffnungsfolie des Vortrages zur Einführung von Dokumentenmanagementsystemen (mit freundlicher Veröffentlichungsgenehmigung des Landeskirchliches Archivs in Karlsruhe).
Die Überarbeitung des Aktenplans, die Ausarbeitung von Aufbewahrungsfristen für (elektronische) Akten, aber auch die Datensicherheit sind weitere, nicht zu vernachlässigende Aspekte dieses Großprojekts. Rege Nachfragen zu diesem Thema, die Aussicht auf die nächste Tagung der evangelischen Kirchenarchivare 2014 in Berlin und der besondere Dank an die Gastgeber aus Herrnhut beendeten das Programm.
Maxi Schulenburg